Werk und Leben

BROT UND ROSEN

 

Interview von WERKSTADT GRAZ Gründer Joachim Baur (J.B.) mit der Künstlerin Nicole Malbec (N.M.)

J.B. – Wie hast du das Interesse und die Liebe zur Kunst gefunden? Gibt es einen beschreibbaren Moment der dich in die Kunst geführt hat?

N.M. – Ich möchte zu Beginn dieses Interviews die Liebe und das Interesse zur Kunst voneinander unterscheiden. Für mich denke ich war bei meiner Geburt die Liebe zur Kunst bereits da; ich würde sagen „intrinsèque“, im deutschen würde dies eine bereits innewohnende Liebe zur Kunst bedeuten.
Metaphorisch könnte man auch von einem „gesunden Träger einer symptomfreien Krankheit“ sprechen.
Wichtig ist es festzuhalten das es sich hierbei um das „Unbewusste“ im Menschen handelt.
Beim Interesse zur Kunst verhält es sich für mich eher um die „Umweltbedingungen“ künstlerisch tätig werden zu können und aktiv zu sein.
Dieser Weg war bei mir ein mäanderhafter Weg oder ein oszillierendes Suchen. Da war als kleines Kind das theaterhafte, singende und tanzende Element sehr stark vorhanden. Es wurde bei mir nicht gefördert. Und trotzdem ist meine Liebe zur Kunst anwesend geblieben.

J.B. – Du hast in jungen Jahren bereits ein sehr bewegtes Leben begonnen. Dein Studium der französischen Geschichte an der Pariser Universität, deine Theaterausbildung, deine Mannequin-Karriere, dein Gesangstudium und deine Zeichenausbildung im „Atelier de la ville de Paris“ …

N.M. – Ja, ich denke diese unterschiedlichen Wege kann ich heute in meinem künstlerischen Schaffen zusammenführen. Die handwerklichen Fähigkeiten und die Erfahrungen aus den Bereichen der Musik, des Theaters und der Modewelt und dazu meine Familiengeschichte bilden einen großen Fundus für meine jetzige Tätigkeit als Künstlerin.

J.B. – Anders als bei vielen KünstlerInnen gehst du in deiner Arbeit sehr interdisziplinär vor. Du verbindest die unterschiedlichen akademisch getrennten Kunstrichtungen und Ausdruckmöglichkeiten miteinander. Dein „besingen“ von bildhauerischen Arbeiten, Alltagsgegenständen oder Gebäuden erinnert an die Antike in der das Werk Kunst noch als „téchne“ bezeichnet wurde und erst durch das „besprechen“ oder „besingen“ der Skulptur diese zum Kunstwerk wurde.

N.M. – Wenn du die Antike Welt ansprichst so verhält es sich bei mir genau umgekehrt. Nicht ich besinge das Objekt sondern das Objekt singt durch mich. Das Objekt gibt mir quasi den Auftrag zu singen. Ich sehe das Objekt und ich höre das Objekt.

J.B. – Für den Internationalen Frauentag 2020 hast du zwei Arbeiten im öffentlichen Raum realisiert. Einmal am Wiener Donaukanal und einmal vor dem Österreichischen Parlament. Von diesen beiden „Errichtungen“ haben wir von der WERKSTADT GRAZ ein Video produziert.

N.M. – Ja, die Arbeit am Donaukanal ist ein „streetwriting“ das ich seit 2015 umsetzen wollte. Es handelt sich um eine Wandmalerei mit Rosa Farbe auf schwarzem Grund. Es steht „KAPUTTALISMUS“ geschrieben. Ich verstehe es als Beginn einer größeren Serie!
Die zweite Arbeit ist eine Neuinterpretation des berühmten Frauen-Solidaritäts-Liedes „Brot & Rosen“. Der Ort der Aufführung ist der Monumentalbrunnen vor dem Parlament mit der Statue der Pallas Athene die unter anderem während der Französischen Revolution als Personifikation für die Freiheit betrachtet wurde und heute noch als Leitbild für Frauenrechte steht.

J.B. – Danke dir Nicole für das Gespräch.

N.M. – Danke dir Joachim für dein wertvolles Interesse an meiner Arbeit. Und ein „grand merci“ für das einzigartige Videodokument. Danke auch an Alexandra Herzog, Helene Baur, Katja Ratschiller und an Barbara Ablasser für die Mithilfe.

Graz / Wien, März 2020

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Nicole Malbec „Ton: A”, 2019
Skulptur, Fotografie, Ton, Dokumentationsfoto
(Nicole Malbec beim Ton-modellieren und singen des Stimmton´s „A”)
Maße: Skulptur 24x19x19 cm Fotografie: 100×75 cm

„Ton: A“
Die französische Künstlerin Nicole Malbec schafft in ihrem Werk „Ton: A“ eine beeindruckende Verbindung scheinbar voneinander getrennter Tätigkeitsfelder. Als professionell agierendes Fotomodell & Mannequin, als ausgebildete klassische Sängerin und als Bildhauerin lässt sie uns an ihrer Kreativität teilhaben.


Im Werk „Ton: A“ gelingt ihr eine für uns nachvollziehbare Arbeit: während des Schaffungsprozesses besingt sie mit dem Stimmton „A“ die Tonskulptur „A“. Der gesungene Ton „A“ wird untrennbar mit der von ihr modellierten Skulptur A aus Ton verbunden. Die Fotografie hält diesen fasziniernden Moment als Dokument fest.

Von der oberflächlichen Betrachtungsweise dreht sich der Moment in die Tiefe archaischer Zusammenhänge:
einerseits umfasst die Verwendung von Ton als Rohstoff für Keramik einen Zeitraum von etwa 60.000 Jahre menschlicher Kultur und andererseits wird in der Mystik vom “Einhauchen des Lebensatems” in
den roten Lehm erzählt.

(Dokumentationsfoto & Text (Auszug): Joachim Baur / WERKSTADT GRAZ)
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Nicole Malbec „l´air des partisans“, 2019
Nicole Malbec besingt mit dem Partisanenlied das Landhaus Feuerlöscher in Prenning (Haus des österreichischen Widerstands).

FESTIVAL „FERRAGOSTO 2019“, Prenning´s Garten
WERKSTADT GRAZ / CAMPUS PRENNING
Dokumentationsfoto: Joachim Baur

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Nicole Malbec „CHANTPEAU – chapeau chantant“, 2020
Hommage á Robert Filliou („Art’s Birthday“)
ORF Radiokulturhaus 17.01.2020
Ö1 Live sendung

ART´S BITHDAY / WERKSTADT GRAZ 2020
Dokumentationsfotos: Joachim Baur

 

 

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HYPERTEXT – VEHIKEL
Publikumsfähnchen: Internationaler Frauentag 08.03.2020
Material: 200g Munken (FSC- certified), oil-free mineral-based printing ink,
organic adhesive, beechwood; Size: 24 x 12 x 50 cm

Kooperation mit BASIS WIEN, PRENNING´S GARTEN, ZOLLAMT, CAMPUS
Konzeption & Design: Joachim Baur
WERKSTADT GRAZ PROGRAMM: „AUTONOME ORIENTIERUNG“
WERKSTADT GRAZ EDITION 2020 / Editors: Helene Baur, Joachim Baur

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„STREET INTERNET“ (defiliéren & fächeln)
Fähnchen-Verteilung, März 2020: Graz, Berlin, Wien
Fotos: Helene Baur, Nicole Malbec, Walter Verhovnik, Joachim Baur
WERKSTADT GRAZ PROGRAMM: „AUTONOME ORIENTIERUNG“